Die Kriege der Zukunft [SEO1 EP20]

Jacob Birken
29 min readMar 21, 2021

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Was bisher geschah: Carina Debro ist auf der Morgenröte aufgewacht, nur um festzustellen, dass sie (oder zumindest die vorherige Carina Debro) zuvor auf Dunhuang Siebzehn einem Attentat zum Opfer gefallen war. Neben Elvis ist mittlerweile auch die Crew der Sagarmatha in der Bergfestung Acala angekommen und auf der Suche nach einer Strategie, um den Planeten zu befreien oder zumindest nicht vollends zu verlieren.

„Die Ionenschleuder“

Sadie Yilmaz war so nervös, dass sie lieber stundenlang angeleint bei der Gandiva Zwei in der Schwerelosigkeit schwebte, als auf der Brücke oder in ihrer Kabine nichts mit sich anfangen zu können. Tage waren verstrichen, seitdem die Sagarmatha letzte Signale gesendet hatte: Aufnahmen des Planeten und Daten zu den Gefechten mit der Morgenröte, ohne weitere Kommentare auf einem unverschlüsselten Kanal verschickt wie eine öffentliche Bekanntmachung, für die leider im Umkreis einiger Lichtjahre die Öffentlichkeit fehlte. Danach kam nichts mehr. Der alte Mann, der die Schiffe der Res Publica kommandiert hatte, war kein besonders guter Schachspieler gewesen, aber offensichtlich nicht dumm. Yilmaz war zuversichtlich, dass er wusste, was er tat, aber es gab Situationen, in denen gerade das eher deprimierend war.

Sie hatte bereits ganz das Zeitgefühl verloren, als ein Anruf von der Brücke kam. „Es ist Aleph“, sagte der Kommunikationsoffizier. Yilmaz überlegte kurz, ob es besser wäre, an Bord zurückzukehren und den Anruf an einem geeigneteren Ort anzunehmen, aber beschloss dann, dass es am wichtigsten war, ihn schnell anzunehmen. Sie schnallte das kleine Sensormodul von ihrem Handgelenk und ließ es an seinem Kabel davonschweben, damit sie für die Übertragung halbwegs im Bild war, und nahm dann den Anruf über ihr Implantat an.

„Wo sind sie?“

Yilmaz sah, wie Aleph leicht die Augen zusammenkniff, aber der künstliche Mensch wirkte eher amüsiert als verstört. „Nur kurz draußen“, sagte sie, obwohl sie sich wirklich nicht sicher war, ob es nur kurz oder schon sehr lange war. „Das entspannt mich.“

„Das ist gut“, sagte Aleph. „Ich habe einige Neuigkeiten.“

„Zuerst die Schlechten?“, schlug Yilmaz vor. Aleph lächelte freundlich und trat ein wenig zurück. Yilmaz hatte erst das Gefühl, hinter dem künstlichen Menschen in einen unendlichen weißen Raum zu blicken, doch bald erkannte sie hier und da ein paar kantige Formen und woanders sanfte Hänge. Das war die Eislandschaft, die sich draußen vor den großen Fenstern des Hauptquartiers der Patrouille erstreckte: Callisto, der Jupiter-Mond.

„Die Schlechten“, wiederholte Aleph. „Wir haben keine Flotte für Sie. Wir können keine weiteren Schiffe verlieren, solange diese … Waffe da draußen ist.“

Yilmaz kaute kurz an ihrer Unterlippe. Wir sind alleine, dachte sie. Die Gandiva Zwei schwebte nutzlos in diesem Sternensystem wie sie selbst vor dem Schiff. „Ich habe dazu auch keine guten Nachrichten“, sagte sie. „Genaugenommen wohl gar keine. Wir warten, ob noch etwas von den Besatzungen der Sagarmatha und Elbrus kommt. Ob sich jemand auf den Planeten retten konnte, falls beide Schiffe zerstört wurden.“

„Warten sie weiter“, sagte Aleph. „Aber das waren nicht die Neuigkeiten. Sie bekommen demnächst Besuch. Viel mehr darf ich auch nicht sagen.“

Zum Glück ist das wohl die gute Neuigkeit, dachte Yilmaz.

🌠

„Sie ist ja rot“, sagte die Soldatin.

Elvis schaute über die Schulter zu seinem Cassius zurück. „Natürlich“, sagte er. Es war dunkel gewesen, als sie damals in der Stadt in den Gleiter stiegen, und als er die Maschine nach der nächtlichen Flucht schließlich im Hangar der Bergfestung geparkt hatte, waren seine beiden Fluggäste davongewankt, ohne sich einmal umzudrehen.

„Rote sind schneller“, sagte die Soldatin zu ihrem Kameraden, und Elvis nickte beipflichtend.

Die Garde hatte die Technologie des Cassius soweit analysieren können, um ein einfaches Kraftrad zu entwickeln, eine vage experimentell anmutende Maschine mit einem Chassis aus mattgrauen Rohren und dazwischen kantigen Gehäusen, die den Antrieb und was sonst noch notwendig war schützten. Viel mehr als ein neues Kontrollmodul für die Energiezelle war ohnehin nicht notwendig gewesen; alles andere ließ sich mechanisch lösen. Immerhin keine Zahnräder, dachte Elvis, oder zumindest nicht so viele, und so kleine. Er fand die Maschinen, die jetzt vor einer der Wände des Hangars geparkt waren, nicht sonderlich sympathisch; wie jedes Kleidungsstück an diesem Ort unterschwellig wie eine Uniform wirkte, sahen auch diese Räder aus wie Waffen.

„Das sind unsere“, sagte die Soldatin und schlenderte zu den Krafträdern hinüber.

„Was macht ihr jetzt damit?“, fragte Elvis, während die Leute von der Garde sich an den Maschinen zu schaffen machten.

„Ausprobieren“, sagte die Soldatin und klopfte gegen das Gehäuse. Es klang hohl.

Elvis sah zu, wie sie erst im Hangar vorsichtige Fahrversuche machten und dann durch das große Tor verschwanden. Ich sollte auch raus, dachte er, vielleicht ein paar Pilze suchen.

Das Tor führte nicht unmittelbar ins Freie, sondern in einen fragwürdig verwinkelten Schacht, der diesen Zugang zur Bergfestung uneinsehbar bleiben ließ. Elvis machte sich auf den Weg durch das Halbdunkel und stolperte schließlich ins Licht. Im Gras vor sich konnte er noch die Reifenabdrücke der Räder erkennen, aber als er sich nach ein paar Schritten umdrehte, war von hier aus der Schacht zum Hangar tatsächlich nicht mehr zu sehen. Tiefer in der Caldera waren die Leute von der Garde auf ihren neuen Maschinen unterwegs. Elvis zoomte mit seinem Implantat heran, aber sie waren zu schnell und das Gelände zu dicht bewachsen, um ihnen länger folgen zu können.

Er hatte vorsorglich die Reste eines seiner Backversuche in eine Jackentasche gestopft und fand ein paar Tiere, an die er sie verfüttern konnte. Dann fand er ein paar Pilze. Und schon wieder mache ich nicht meinen Job, stellte Elvis etwas verärgert fest, während er die letzten Krumen des Backversuchs aus der umgestülpten Jackentasche schüttelte. Pilze suchen und Tiere füttern hätte ich auch zu Hause können, ohne dass mich vielleicht jemand totschießt. Für immer, und vielleicht wäre nicht einmal jemand da, um ihn auf einem Hügel zu vergraben und einen Stein daraufzustellen. Ich sollte mit den Beiden reden, wenn sie zurück sind, dachte er. Über die Flucht aus der Stadt. Über den Friedhof. Er lief tiefer in das Tal hinab und auf den Bergsee zu, bis er plötzlich an dessen Ufer eine einsame Figur sah, einen Mann in einem der grauen Trainingsanzüge der Bergfestung. Elvis war bald nahe genug, um zumindest in der Vergrößerung im Implantat das Profil des Mannes zu sehen, der fast reglos auf den See starrte. Zuerst erkannte er ihn nicht, aber das mochte an dem Trainingsanzug liegen, denn Elvis hatte ihn zuvor immer nur in Uniform gesehen. Sie haben ihn rekonstruiert, dachte er und stolperte beinahe. Ich sollte mit ihm sprechen. Ich war da, als er starb, ich muss ihm von seinem Tod erzählen. Nein, dachte er dann, das ist falsch, wenn Leute etwas über ihren Tod wissen wollen, werden sie einen schon fragen. Der Mann schien ihn nicht bemerkt zu haben, und so machte Elvis wieder kehrt, um nach einem Eingang in die Bergfestung zu suchen.

🌠🌠

Nichts war wirklich anders, aber wirklich nichts war unverändert geblieben: Carina hätte beispielsweise schwören können, dass der große Wasserspender neben der Kantine einen halben Meter näher am Eingang gestanden hatte. Auf dem kleinen Hügel, auf dem sie sonst die leeren Plasmabatterien für die Fahrzeuge lagerten, wuchs jetzt ein feiner grüner Grasflaum. Weiter hinten stand hingegen die große Ladestation für die Batterien: Carina hatte den Apparat bei ihrem Aufenthalt auf der Morgenröte abholen wollen, aber natürlich war sie mitsamt der Ladestation schon lange wieder angekommen, bevor sie gerade ein zweites Mal vom gleichen Trip zurückkehrte. Eine andere Carina, an die sie sich nicht mehr erinnern konnte, hatte das schon alles erledigt, aber tatsächlich war sie für diesen Zeitverlauf jetzt selbst die andere, verspätet und uninformiert hinzugekommen. Ich weiß gar nicht, wie ich darüber nachdenken soll, stellte sie fest.

An den Fassaden waren Markierungen angebracht, das Efeublatt ihres Platoons oder die Symbole einer anderen Einheit, die zu diesem Bataillon gehörte und in den Gebäuden untergekommen war. Carina erinnerte sich, selbst diese Idee gehabt zu haben, aber sie hatte mit niemandem darüber gesprochen. Sollte ich jemanden fragen, ob das meine Idee gewesen ist?, dachte sie. Spielt ja keine Rolle.

Bis zum Briefing hatte sie eine gute Stunde. Carina war eigentümlich beruhigt, als sie an der Wand neben dem Treppenhaus zu ihrer Unterkunft das Efeublatt an der Wand sah, grob mit einer Schablone angebracht; die dicke glatte Farbe hob sich vom Beton ab, als sie im Vorbeigehen mit den Fingern drüber strich.

Mira saß mit einem Notizbuch auf der Terrasse.

„Ich bin wieder da“, sagte Carina.

„Ja“, sagte Mira. „Gut, dass es so schnell ging.“

Schnell, dachte Carina, ich weiß nicht einmal, was das in dieser Situation bedeutet. Auf der Terrasse schien sich nichts verändert zu haben, aber als sie ihr Zelt öffnete, lag da noch ihr Kampfanzug, fast identisch zu dem, den sie jetzt trug. Carina hatte letzteren auf der Morgenröte angezogen und sich kurz gewundert, dass er so neu wirkte (vielleicht hatten sie ihn gereinigt), aber natürlich war er neu; bei genauerer Betrachtung sah aber auch der alte nicht viel abgenutzter aus. Sie musste für ihre tödliche Mission die Uniform getragen haben. Ein Fehler, dachte sie, aber in dem Fall nur symbolisch. Auch in der Rüstung hätte sie den Sturz nicht überleben können.

„Was mache ich mit zwei Kampfanzügen?“, fragte Carina in die schon etwas abgestandene Luft des Zelts hinein.

„Du brauchst ja nur einen zu tragen“, sagte Mira draußen und meinte es wohl auf irgendeine Weise hilfreich.

Carina fehlte jetzt entsprechend die Uniform, und so zog sie einfach ihren Trainingsanzug an und hoffte, dass unten im Lager ausnahmsweise etwas in ihrer Größe vorrätig war. Sie stellte sich an das Geländer und schaute in die Stadt hinunter.

„Wie war es“, sagte Mira, „tot zu sein?“

„Ich war ja nicht dabei“, sagte Carina. „Sag du es mir. Wie war es, dass ich tot war?“

„Ich fand es traurig“, sagte Mira in ihrem üblichen sachlichen Tonfall, „aber jetzt bist du ja wieder da.“

Beim Briefing hatte Carina gemischte Gefühle. Zwischen ihrem Tod und ihrer Rückkehr auf den Planeten schien nicht viel geschehen zu sein; das war beruhigend, da sie nichts verpasst hatte, aber auch enttäuschend, da sie nicht die Möglichkeit gehabt hatte, etwas geschehen zu lassen. Problematischer war natürlich die gesamte Zeit davor, von der sie selbst — jetzt — nichts wissen konnte. Wie bei solchen Fällen wohl üblich hatte ihnen der Major des Bataillons einen forensischen Rekonstrukteur zugewiesen, einen älteren, fahrig wirkenden Mann, der mit Carina und ihrer Einheit die Akten der verlorenen Zeit durchging. Carina starrte irritiert auf die Protokolle und Berichte, die sie selbst verfasst hatte, ohne sich jetzt daran erinnern zu können. Was habe ich mir da gedacht, was, dachte Carina, obwohl nichts an diesen Eintragungen unverständlich oder rätselhaft blieb. Irgendwo zwischen diesen Aufzeichnungen musste dennoch ein Fehler geschehen sein, etwas, das zu dem Anschlag auf der Brücke geführt hatte. Sie musste etwas übersehen haben, und paradoxerweise war Carina ihrerseits diejenige, die am besten wissen würde, welche Dinge sie zu übersehen pflegte. Der Fall selbst war wahrscheinlich nicht allzu kompliziert: Jemand musste gewusst haben, welche Route sie wann nehmen würden. Vielleicht war da nicht einmal eine Mine mit genau den Rohstoffen, nach denen sie suchten, und es war von Anbeginn eine Falle gewesen. Die wichtigere Frage war also, wieso überhaupt jemand auf diese Idee gekommen war. Das musste ihr Fehler gewesen sein: Diese Leute offenbar im Glauben zu lassen, ihr eine solche Falle stellen zu können.

🌠🌠🌠

Die Armee der Morgenröte war gegenüber zivilem Ungehorsam und Sabotage so ahnungslos, dass sich die Leute in der Bergfestung bald beinahe einen Spaß daraus machten, das Handbuch zum Umgang mit bewaffneten Aufständen durchzuarbeiten; bei jeder darin beschriebenen Situation konnten sie davon ausgehen, dass die Besatzungsarmee genau auf die falscheste Weise darauf reagieren würde.

„Nur eine Armee“, sagte Yato, als sie die Pläne für die nächsten Tage durchgingen.

„Was meinst du?“, fragte Park.

„Nichts“, sagte Yato. „Du warst ihr Gefangener. Haben sie so etwas wie eine Zivilgesellschaft?“

„Zumindest nicht hier“, sagte Park.

Sie hatten eine Woche gebraucht, um in den drei Städten dieser Region ihrerseits genug Posten aus der Gebirgsbrigade unterzubringen und sämtliche Bewegungen der Patrouillen und Wachen auf den Dächern aufzuzeichnen. Es wäre unsinnig gewesen, die Truppen anzugreifen, und so beschränkten sie sich auf kleine Sabotageakte, die keine weiteren Folgen haben mussten, als die Besatzungsarmee von der Aufklärung der vorangegangenen kleinen Sabotageakte abzuhalten.

Die Posten hatten bald erkannt, dass die Leute der Morgenröte von den Dächern aus mit Lichtsignalen kommunizierten, zwischen ihren eigenen Einheiten, mit den rautenförmigen Flugzeugen, und vielleicht sogar zwischen den Städten selbst. Park hatte die einfachen Codes bereits entschlüsselt, während er noch die Signalfolgen aus den Notizheften der Posten in den Computer übertrug; als er jetzt das Heft aufschlug, das ihm eine Soldatin von ihrem letzten Einsatz in der Stadt gerade mitgebracht hatte, war ihm der Code bereits so geläufig, dass er vielmehr aus den Strichstärken die jeweilige Gemütsverfassung der Soldatin während der Aufzeichnung zu entschlüsseln versuchte und nur ein Rest zwischenmenschlicher Kompetenz ihn davon abhielt, seine Einsichten mit der jungen Frau abzugleichen. „Danke, Sergeant“, sagte er. „Haben sie etwas Neues beobachtet, bei ihrer letzten Tour? Irgendetwas.“

„Ich denke nicht“, sagte die Soldatin. „Ich hätte fast gesagt: alles ganz normal.“

„Ich weiß, was sie meinen“, sagte Park und schaute wieder in das Heft. Zumindest über ihre Leuchtsignale schienen sich die Leute von der Morgenröte nicht mehr mitzuteilen zu haben außer Positionsangaben, Anfragen nach Positionsangaben und knappen Anweisungen, bei denen sich meistens irgendwer zu irgendeiner anderen Position bewegen sollte.

„Dann sollten wir uns etwas Neues ausdenken“, sagte Yato.

„Ja“, sagte Park und legte das Heft weg.

„Gehen Sie schlafen, Sergeant Whitebird, oder machen Sie Yoga, oder was ihnen sonst Spaß macht“, sagte Yato. „Irgendjemandem von uns fällt bis heute Abend Etwas ein.“

Ich habe keine Ideen“, sagte Park, nachdem die Soldatin das Besprechungszimmer verlassen hatte.

Yato zuckte mit den Achseln. „Nicht für morgen. Für später. Was wir morgen schon vorbereiten können.“

„Ja“, sagte Park etwas kraftlos. Selbstverständlich hatte er die Strategie verstanden, die Yato und der alte Commodore hier verfolgten: Es ging nicht darum, die Städte zu befreien, sondern nur darum, die Truppen der Morgenröte zu beschäftigen. Das war die andere Hälfte der Geschichte: Die Morgenröte schien keinerlei Plan für ihre Besatzung zu haben, der über die militärische Invasion hinausging, aber das machte letztere auch nicht ungeschehen. Das war keine Armee, gegen die sie gewinnen konnten. Selbst, wenn sie alle ihrer Drohnen mobilisieren würden, um die Basen der Morgenröte in den Städten anzugreifen — die Steuersignale an die Drohnen würden unweigerlich ihre Position preisgeben, und ein Schlag mit der Pulswaffe auf diese Festung würde reichen, um mitsamt der Drohnen vielleicht die letzte elektrifizierte Anlage der Garde auf diesem Planeten lahmzulegen.

Die Sonden, die die Sagarmatha und Elbrus im Orbit verteilt hatten, waren längst unbrauchbar. Die Morgenröte hatte die einsamen Signale zwischen dem Schrott über dem Planeten schnell ausfindig gemacht; die ersten hatten sie noch abgeschossen, bei den nächsten aber erkannt, dass diese Maschinen nicht viel mehr konnten, als Daten aufzuzeichnen und zu versenden. Auf den Projektionen im Besprechungsraum der Bergfestung hatten sie zugesehen, wie auf einem Labortisch in der Morgenröte die Innereien einer der Maschinen vor deren eigenen Sensoren ausgebreitet wurden; auch Park war zusammengezuckt, als ein Techniker prüfend tief in eine Linse schaute, aber natürlich ging die Übertragung nur in eine Richtung. Danach wurde es für eine Weile still um die Sonden, bis sie plötzlich wieder Bildsignale sendeten: Das eine von einem Balkon, auf dem sich abends manchmal ein paar uniformierte Leute trafen, um schweigend Bier zu trinken; ein anderes aus einer Garküche, die zur Kantine einer der Basen der Morgenröte gehören musste. Niemand konnte sagen, ob die Morgenröte die Signale anzapfte und auf irgendeine Weise selbst nutzte, oder ob es eine eher symbolische Bedeutung hatte, eine kleine Provokation oder Warnung — oder eine Falle, um diejenigen ausfindig zu machen, die unvorsichtigerweise selbst irgendein Signal an diese Maschinen zu schickten versuchten.

„Zumindest haben sie Humor“, hatte Yato gesagt, nachdem sie einige Minuten zugeschaut hatten, wie jemand in einem riesigen Topf irgendeinen Fraß anrührte.

„Ich muss jetzt jedenfalls etwas Richtiges essen“, hatte Appiah gesagt, „wie geht es euch so?“

Die kleinen Kameraansichten der ehemaligen Sonden waren auch jetzt noch zu sehen, über den anderen Projektionen in eine Ecke des Besprechungszimmers verbannt. Es war noch recht früh, und wie vielleicht auch gerade in der Kantine der Bergfestung putzte in der Basis der Morgenröte jemand die Esstische. Park schaute eine Weile desinteressiert zu, während Yato über irgendwelchen Landkarten grübelte. Die Leute von der Morgenröte hatten eine weitere der Sonden irgendwo auf einem Dach am Stadtrand montiert; eine der Weitwinkelkameras, die sonst die Untiefen des Weltalls einsehen sollte, zeigte die Felder und Hügel dieser Region des Planeten. Mittig war in der Ferne die nächstgelegene Stadt zu sehen, aber ganz rechts am Bildrand undeutlich und winzig der Umriss der Berge, in denen die Festung Acala verborgen war. Wissen sie einfach schon, dass wir hier sind, dachte Park, ist das einfach nur noch ein Spiel?

🌠🌠🌠🌠

Aleph registrierte, dass die Luft im Inneren des Bunkers eine leicht andere Zusammensetzung hatte; Generationen verschiedenster Lebewesen hatten der Luft Dunhuang Siebzehns mittlerweile einen eigenen Charakter verliehen, während der Bunker noch das sorgfältig im Labor austarierte Gemisch des ursprünglichen Terraformings konserviert hatte. Die Galaktische Patrouille hatte diesen Bunker in einem kleinen Hang versteckt, bevor die Besiedlung begonnen hatte, und seitdem war er verschlossen geblieben: Ein Rückzugsort oder eine Basis für einen Krisenmoment, der erstaunlich lange nicht über diesen Planeten gekommen war. Im Inneren war nichts Besonderes zu finden. Die Regale einer Kammer waren mit unverderblichen Lebensmitteln gefüllt; in einer anderen lagerten Waffen und Elektrogeräte, von denen damals jemand angenommen hatte, dass sie in einer unbestimmt fernen Zukunft am ehesten noch zeitgemäß bleiben könnten. Zwei Zimmer waren mit einfachen Feldbetten bestückt, ein paar andere Räume leer, freigehalten für das, was auch immer hier nötig werden konnte. Aleph fand den Eingang zum Hangar und dort den Tormechanismus; zum Glück war dieser Ort weit genug von den Städten entfernt, um offenbar nicht von den Pulswaffen der Morgenröte betroffen worden zu sein. Erdklumpen und Vegetation bröckelten auf den blanken Betonboden des Hangars, als sich das zugewachsene Tor langsam aufschob.

Draußen wurde es bereits hell. Gegen den rötlichen Himmel hob sich die Silhouette eines der Ranger ab, die mit Aleph auf dem kleinen Frachter der Patrouille angekommen waren. Der Mann stieg über den Erdhaufen und schaute sich im Hangar um, die Hände in den Taschen seiner Weste.

„Das Schiff hier rein?“, fragte er.

„Ja“, sagte Aleph. „Im Gang hinten links ist eine größere Halle, da können wir alles aufbauen.“

„Gut.“

Aleph winkte durch das Tor die anderen heran. Die Leute von der Patrouille und ein weiterer Ranger zogen das Tarnnetz vom Schiff, das sie erst kurz zuvor aufgespannt hatten; eine wohl überflüssige Sicherheitsmaßnahme, denn dieser Bunker schien heute nicht weniger abgelegen als zu der Zeit, als er auf dem noch unbesiedelten Planeten in eine öde Landschaft versenkt worden war. Durch Alephs Nodium vor allen Augen und Sensoren verborgen hatten sie Dunhuang Siebzehn angeflogen, doch als das kleine Schiff zwischen den im Orbit dahintreibenden Trümmern auf die Planetenoberfläche zusteuerte, war ihnen allen am bedrohlichsten vorgekommen, dass hier nirgends mehr Augen oder Sensoren waren, die sie hätten irgendwie wahrnehmen können.

Aleph schloss nicht aus, dass sich irgendwo auf Dunhuang Siebzehn noch Einheiten der Garde befanden, mit denen sie in Kontakt treten konnten; vielleicht hatten sich sogar die Besatzungen der Schiffe der Res Publica auf die Planetenoberfläche retten können. An diesem Zeitpunkt würde es jedoch alle gefährden, nach ihnen zu suchen: In dieser stillgelegten Welt konnte jedes Funksignal wie ein Leuchtfeuer alle Aufmerksamkeit auf sich ziehen, und selbst Unsichtbarkeit würde sie nicht vor der Pulswaffe der Morgenröte schützen. Es gab allerdings einen weiteren Grund, weswegen sie nicht auf Dunhuang Siebzehn nach ihren Verbündeten suchten: In dem Frachtschiff hatten sie etwas auf den Planeten gebracht, das selbst innerhalb der Galaktischen Patrouille nur den wenigsten bekannt war.

Aleph aktivierte den Tormechanismus und schlüpfte ins Freie, bevor die großen Paneele sich zusammenschoben. Im Hangar entluden die anderen den Frachter; der Ranger hatte geschätzt, dass es für die Installation mindestens drei Stunden brauchen würde. Dunhuang Siebzehn war Aleph nicht ganz fremd. Es war selbstverständlich gewesen, dass die Galaktische Patrouille die Ankunft der Menschen hier beobachtet hatte, aber bis jetzt hatte es keinen weiteren Anlass gegeben, sich mit dem Planeten zu beschäftigen; der Patrouille war es sehr genehm, wenn die Dinge ansonsten ihren Lauf nahmen, und Dunhuang Siebzehn schien gerade darin sehr gut gewesen zu sein. Aleph filterte ein weiteres Mal die Luft. Der künstliche Mensch hatte noch die Zusammensetzung vom ersten Aufenthalt hier gespeichert; beim Abrufen dieses interessanten historischen Datensatzes fand Aleph noch den angefügten Vermerk zur kuriosen Situation, als eines der ersten Wesen eine Atmosphäre einzuatmen, die ganz anders beschaffenen Lebensformen das Überleben ermöglichen würde. Aleph glich den Vermerk mit späteren Erfahrungen und Einsichten ab und fand ihn weiterhin aufschlussreich.

Der Stern stand bereits über dem Horizont. Sein Licht verlieh der Heidelandschaft eine neue Tiefe; was vorher ein Vorhang in dunklen Rottönen gewesen war, breitete sich jetzt plastisch und vom Morgentau schillernd in alle Richtungen aus. Es hieß, dass Dunhuang Siebzehn die klarste Atmosphäre aller besiedelten Planeten hatte. Aleph führte eine kurze Messung durch, die das zumindest für diesen Morgen bestätigte. Hier war sonst niemand, und Aleph lief tiefer in die Landschaft hinein. Das Nodium würde Menschen oder Maschinen bereits in Entfernungen ausmachen können, die selbst Alephs präzise Sensoren niemals erreichen konnten, und bislang rührten sich hier nur einige wenige Insekten.

In Alephs Körper war nicht so viel Elektronik verbaut, wie es rein biologische Menschen vermuteten, aber die Pulswaffe der Morgenröte würde zweifellos fatale Wirkung zeigen. So wenig sie weiterhin über die Technologie des Pulses wussten, so wenig waren die medizinischen Anlagen der Res Publica und selbst der Patrouille dafür eingerichtet, den einzigen künstlichen Menschen dieser Galaxis zu rekonstruieren. Es war nicht leicht gewesen, vor einigen Tagen an Bord der Gandiva Zwei zu gehen. Aleph rief erneut die Erinnerungen an den Tod der ersten Gandiva ab, an den unerwarteten und dann unabwendbaren Ausfall immer weiterer und zunehmend lebensnotwendiger Systeme, bis das ganze Schiff irgendwann still und vielleicht für alle Zeiten kontaminiert im Weltall trieb. Als das neue Schiff gebaut worden war, schienen alle einig, dass es diesen Namen übernehmen sollte. Aleph war die Argumente aus dieser Zeit nochmals durchgegangen, aber im Nachhinein schien die Entscheidung keiner Logik zu folgen; die Gandiva Zwei mochte vielleicht innerhalb der Flotte der Galaktischen Patrouille die gleiche Funktion einnehmen wie die Gandiva, doch eine wirkliche Kontinuität bestand zwischen den beiden Schiffen nicht: Als das eine gerade den aktuellen Moden und Ideen entsprechend entworfen wurde, war das andere schon seit Monaten ruinöse Materie, die nur alle anstecken würde, die sich mit ihr zu beschäftigen versuchten.

Jetzt, in dieser abgelegenen Landschaft irgendwo auf Dunhuang Siebzehn, synthetisierten sich diese Gedanken mit den wenigen Informationen, die die Galaktische Patrouille über die Invasion in den Städten hatte, bis schließlich einer von Alephs Gehirnprozessen mit Angst reagierte. Aleph arbeitete kurz mit diesem Impuls weiter, zu dem unter anderem die vage Spekulation gehörte, von der Patrouille gegebenenfalls durch jemanden namens „Aleph Zwei“ ersetzt zu werden, falls diese Mission tatsächlich fatal enden sollte. Aleph schob den Prozess in den Hintergrund, wies ihm aber keine neue Aufgabe zu; es war nicht falsch, in dieser Lage ein Korrektiv für allzu rationalistische Entscheidungsprozesse parat zu haben.

Irgendwo bei dem Stern, der hier das Heidekraut in sein schönes Licht tauchte, baute eine Delegation des fernen Planeten Trappist’s Merveille eine Waffe auf, die es vielleicht mit der Morgenröte aufnehmen konnte. Die Galaktische Patrouille hatte für die Befreiung Dunhuang Siebzehns an den unwahrscheinlichsten Strängen gezogen, aber daraus ergab sich noch lange keine Strategie, nur ein paar Chancen.

Aleph knipste ein Blatt von einem der Sträucher und zerkaute es beiläufig. Das war nicht länger das Heidekraut, wie es in der ersten Generation aus den von der Erde importierten Samen hier gesprossen war. Eine oberflächliche Analyse brachte keine Befunde über anthropogene Einflüsse auf diese Pflanze, aber letzten Endes war jede hiesige Mutation eine Konsequenz daraus, dass Menschen irgendetwas auf einen Planeten importiert hatten, der zuvor nur eine graue, staubige Kugel bei einem bislang abgelegenen Stern gewesen war.

Aleph versuchte, eine Prognose über die Folgen der Invasion durch die Morgenröte auf diesen Planeten zu erstellen, aber die Berechnungen führten ins Nichts: Es fehlte bereits an Daten darüber, was die Leute von der Morgenröte mit diesem Planeten anfangen wollten, und welche Vorstellungen einer menschlichen Planung und Besiedlung sie überhaupt mit sich brachten. Aleph hatte eine dunkle Ahnung, dass schon die Tatsache eines nicht nur zurückkehrenden, sondern zur Waffe umfunktionierten Kolonieschiffs einiges darüber aussagte … aber mit einer dunklen Ahnung ließ sich nicht arbeiten, und so setzte Aleph sich lieber zwischen die Sträucher und sammelte Daten über diese menschenleere Landschaft, bis viele Rechenzyklen später aus der Richtung des Bunkers einer der Ranger auftauchte. Aleph winkte und ging dem Mann entgegen, der irgendwann selbst stehenblieb und mit den Daumen in den Westentaschen zum Horizont schaute.

„Ist das Wetter hier immer gleich?“, fragte der Ranger, als Aleph bei ihm angekommen war.

„Das ist wohl der Plan“, sagte Aleph.

Der Ranger überlegte kurz. „Okay“, sagte er dann mit einem Achselzucken.

„Sind wir so weit?“, fragte Aleph, als sie wieder losgegangen waren. Der Ranger nickte nur.

Später im Bunker machte er keinen Hehl aus seinem Widerwillen gegenüber der Maschine, die jetzt in der Mitte des Raums stand: Ein großer, leerer Rahmen, gut sechs auf sechs Meter und in einer irren Konstruktion aus zuckenden und surrenden Servomotoren und anderen Aggregaten über einer Plattform installiert. Die Debatten über diese Maschine hatten sich damals tagelang hingezogen: Das war eine Technologie, mit der sich alles änderte; die ungeheure logistische Vorteile mit sich brachte, aber im schlimmsten Fall ein halbes Haus irgendwo ins Nichts saugen konnte. An jedem beliebigen Ort ein Tor aufstellen zu können, das zu jedem anderen beliebigen Ort führte, war eine schöne Idee, aber auch eine, die allzu viele Gefahren mit sich brachte — und obwohl dies jetzt offenbar technisch realisierbar war, schien es doch mehr als ausreichend, auf vergleichsweise krude Art Portale irgendwo ins Vakuum des Weltalls zu bauen.

Nur wenige wussten von diesem Portal, das auf Selene gefunden worden war. Sein Gegenstück musste noch nutzlos auf Gliese Atlantica oder einem anderen Planeten der Befreiten Sektoren stehen, aber auf Selene hatten sie ein neues gebaut und es auf einer abgelegenen Kolonie ausgiebig getestet. Danach hatten die Ranger beide Portale wieder demontiert und die Einzelteile hinter vielen Panzertüren in irgendeinem Stollen versteckt. Jetzt, Jahre später, stand eines davon also in einem alten Bunker der Galaktischen Patrouille auf Dunhuang Siebzehn.

„Machen wir das jetzt“, sagte der Ranger.

Aleph führte eine Folgenabschätzung durch, aber sie ergab nichts anderes als bei den letzten beiden Versuchen, die Aleph an Bord der Gandiva Zwei und beim Anflug auf diesen Planeten gemacht hatte; viele neue Informationen waren ohnehin nicht dazugekommen, abgesehen von den Entwicklungen in der Flora dieses Planeten. „Ja“, sagte Aleph, und der Ranger schaltete die Kommunikationskonsole des Portals an. Lichtjahre entfernt leuchteten an der Rückseite dieses Tores einige Lichter auf, und ein Läuten riss jemanden aus dem Halbschlaf.

🌠🌠🌠🌠🌠

Es war Carinas eigene Idee gewesen, die Sonde hier aufzustellen, aber als gerade — wie an jedem Tag zu dieser Zeit üblich — eine Kantinenmahlzeit auf ihren Teller ausgeschüttet wurde, fühlte sie sich plötzlich doch beobachtet. Abelia hatte ihr an Bord der Morgenröte von den Maschinen erzählt, die sie im Orbit eingesammelt hatten, und Carina hatte kurzerhand einige mitgenommen und es für eine gute Geste gehalten, sie an den alltäglichsten Orten der Stadt aufzubauen; so würde weder vor noch hinter diesen Kameras jemand vergessen, dass sie hier waren, um zu bleiben. Allerdings dauerte der Alltag samt Kantine und Patrouillen und Logistikproblemen bereits viel zu lange; wer auch immer die Signale der Sonde abrufen mochte, bekam hier jedenfalls kein Bild zielstrebiger Beharrlichkeit geboten, sondern eines von Langeweile und Mittelmaß. Es läuft nicht gut, dachte Carina. Ihr eigenes Leben war nicht besser als an Bord der Morgenröte oder auf dem kargen Planeten, den sie verlassen hatten, und für die Menschen in der Stadt war es nur schlechter geworden. Sie aß appetitlos ihre Mahlzeit auf. Auch die anderen am Tisch saßen schweigend über ihren Tabletts; Palmer, weil er noch mit den Folgen der Rekonstruktion zu kämpfen hatte, Mira, weil sie ohnehin nichts sagte, wenn es keinen konkreten Anlass gab.

Beim Verlassen der Kantine passte sie ein Offizier ab. „Wir haben sie“, sagte er, etwas außer Atem.

„Wen?“

„Die Bomben. Die die Bomben gelegt haben. Unter der Brücke.“

Carina wusste für einen Augenblick nicht, wie sie diese Information in ihre momentane Stimmungslage einordnen konnte. „Ja?“, sagte sie.

„Sie haben sich selbst verraten“, sagte der Offizier. „Es irgendwo ausgeplaudert. Kein Wunder, das waren Jugendliche, fast noch Kinder.“ Er verzog die Mundwinkel. „Nicht schlecht. Gar nicht schlecht.“

„Kinder“, wiederholte Carina. Das kann nicht sein, dachte sie. War das mein Fehler, von Anfang an?

Die Gefangenen waren in einem kleinen Zelt untergebracht: ein halbes Dutzend Figuren im Halbdunkel, die bestenfalls einen verstohlenen Blick zum Eingang wagten, als Carina sich an den Wachen vorbeischob. Carina spürte, wie sich ihre Fingernägel in die Handinnenfläche bohrten, und steckte die Fäuste lieber in die Taschen.

„So gehst du also mit meinem Vertrauen um“, sagte sie, nachdem sie vor das Kind getreten war.

„Aber du hattest gesagt …“, sagte das Kind und starrte auf seine Schuhe.

„Was hatte ich gesagt?“, fragte Carina, plötzlich konsterniert.

„Du hattest gesagt, dass wir für unser gutes Leben kämpfen sollen. Das wir das von euch lernen werden.“

Carina wurde etwas rot. Was rede ich da, dachte sie. Das ist auch Vertrauen, sogar die beste Art von Vertrauen. „Gut“, sagte sie, „sehr gut.“

Das Kind sah immer noch nicht auf.

„Dann werdet ihr das von uns lernen“, sagte sie, „dann fangen wir gleich damit an.“ Soll jemand anderes auf Patrouille gehen, dachte sie. Wir brauchen eine neue Generation, um mit dieser neuen Situation, diesem neuen Konflikt umzugehen. Wir können das noch gar nicht bewältigen, dachte sie, wieder ganz frei von der Lethargie der Kantine. Und was heißt: ‚wir‘? Vielleicht lässt sich erst von einem ‚wir‘ sprechen, wenn diese Generation uns überwunden hat, dachte Carina, uns genauso hinter sich gelassen hat wie die Trägheit dieser Städte und ihrer alten Generationen. Das ist, was ich hier machen kann.

🌠🌠🌠🌠🌠🌠

Von hier oben aus wirkten die Felder Dunhuang Siebzehns wie ein Mosaik, das noch nicht weit genug entfernt war, um in den Fragmenten ein Motiv zu erkennen. Aleph hatte ein kleines Plateau erreicht und blieb einen Moment stehen, um sich diese Aussicht nicht entgehen zu lassen. Es war windig und kalt und die Luft war dünn geworden, aber all das war für Aleph eher von meteorologischem und formalem Interesse als irgendeine Unannehmlichkeit. Aleph ließ sich lange Haare wachsen, bis sie im Wind wehten. Es schien dem Gesamtbild angemessen, auch wenn hier weit und breit niemand war, um es tatsächlich zu sehen. Selbst die nächste Stadt blieb hinter dem Horizont verborgen; in den Feldern unten verrichteten ein paar Landwirtschaftsroboter weiterhin ihre Dienste, aber es gehörte nicht zu ihren Funktionen, die ästhetischen Qualitäten einer Bergbesteigung wahrzunehmen.

Aleph hatte diesen Berg ausgesucht, um mit der Gandiva Zwei Kontakt aufzunehmen. Es gab keinen konkreten Grund, das aus solcher Höhe zu machen — der Himmel war auch in der Ebene klar und die paar hundert Meter machten bei den Millionen an Kilometern Entfernung zu dem Raumschiff der Patrouille keinen besonderen Unterschied — aber als Aleph an diesem Morgen beschlossen hatte, eine Verbindung über das Nodium aufzubauen, hatte ein Gehirnprozess sofort diese Idee vorgebracht, und Aleph sah wiederum keinen Grund, nicht auf diesen Vorschlag einzugehen. Niemand wusste, wie das Nodium funktionierte. Aleph schloss jedenfalls nicht aus, dass auch die eigenen Gehirnprozesse dieser Funktionalität unterliegen konnten, selbst wenn man nie darüber informiert worden war.

Das Schiff der Galaktischen Patrouille musste mittlerweile in der Nähe des Sterns sein, denn die Ionenschleuder war eine hungrige Waffe, und auf diese Weise war es am einfachsten, sie mit Energie zu versorgen. Aleph fand den Stern, wie er schon hoch am Himmel stand. Diesen Augen machte es nichts aus, direkt ins Licht zu starren, aber auch für sie war es freilich unmöglich, das Schiff in dieser Ferne auszumachen. Aleph suchte trotzdem, und dann waren sie bereits im Universum.

Ich bin aber noch hier, stellte Aleph fest. Der künstliche Mensch delegierte einige Gehirnprozesse zur Selbstbeobachtung ab, während das Nodium Alephs Sensorik und noch viel mehr übernahm und zu ganz anderen Zwecken verwendete, denn Aleph sah jetzt nicht mehr, sondern befand sich vielmehr innerhalb der Verhältnisse der Himmelskörper dieses Sternsystems zueinander. Das Nodium hatte begonnen, die Gandiva Zwei zu suchen: Nicht in Sinneseindrücken oder Messungen, sondern mit auf irgendeiner Ebene logischen Argumenten, um überhaupt erst eine räumliche Beziehung zwischen Aleph auf dem Berg und dem Schiff vor dem Stern auszuhandeln. Die zur Selbstbeobachtung abgestellten Gehirnprozesse Alephs widmeten einen aus ihrer Reihe für das reine Erleben dieses doch erhebenden Moments um, während das Nodium die Dimensionen um den relativ winzigen künstlichen Menschen und das relativ winzige Raumschiff herunterrechnete. Auf einer Seite hatte sich das Sternsystem Dunhuang auf die Koordinaten reduziert, an denen Aleph war, auf der anderen auf diejenigen, an denen das Schiff der Galaktischen Patrouille sein sollte.

Das Nodium weiß, wo die Gandiva Zwei ist, stellte Aleph fest. Es weiß nur noch nicht, wo die Strecke zwischen uns beiden verläuft, wie wir von hier zur Gandiva Zwei gelangen. Dann fand Aleph sich plötzlich auf der Brücke des Raumschiffs wieder.

Wie alle anderen griff Sadie Yilmaz instinktiv an die Armlehnen ihres Sessels, nachdem die dunkle Brücke der Gandiva Zwei von einem Augenblick auf den anderen zu einer verschneiten Felslandschaft geworden war. Wo sie zuvor durch das große Fenster ins Weltall schauten, stand jetzt auf einem hohen Felsen Aleph.

„Da bin ich“, sagte Aleph.

Yilmaz musste erst einmal tief ausatmen. Natürlich war das alles ein Hologramm. Ihr Sessel war noch da, und auch die Pulte und Arbeitsstationen ihrer Crew und was alles noch zur Brücke gehörte, doch sie musste es sich jeweils aufs neue bewusst machen.

„Wir auch“, sagte sie. „Wir … sind auch so weit.“

Sie hatten die letzten Tage damit verbracht, die Ionenschleuder zu kalibrieren; besser gesagt, sie hatten den Leuten von Trappist’s Merveille dabei zugesehen, denen wenig daran lag, die Funktionsweise dieser Waffe ganz offenzulegen. Die Ionenschleuder musste eine entfernte Verwandte der Pulswaffe der Morgenröte sein, Lichtjahre entfernt unabhängig voneinander entwickelt: ein Projektil aus Energie und irgendwelchen Partikeln, zu wabernden Mustern verwoben, die sie auf eine rudimentäre Weise programmierbar machten; weniger ein Geschoss als ein künstlich erzeugtes Wetterphänomen, das in die Tiefen des Weltalls losgelassen werden konnte und Schilde und Waffen und Elektronik überlud. Wie die Menschen auf Selene riesige Türme auf ihrem Planeten installiert hatten, vertrauten sie auf Trappist’s Merveille auf diese für alle anderen rätselhafte Technologie, um ihr Exil zu schützen.

Drohnen hatten die Teile der Ionenschleuder eines nach dem anderen durch das kleine Portal bei der Gandiva Zwei bugsiert und die Maschine so nahe an dem Stern montiert, dass sie durch die Hitze keinen Schaden nahm und dennoch alle Energie saugen konnte, die sie brauchte. Während der Installation sprachen die Leute von Trappist’s Merveille fast gar nicht, in der Kantine danach umso mehr, wenngleich zu allen anderen erdenklichen Themen. Yilmaz hatte unter ihnen zwar niemanden zum Schachspielen gefunden, wusste aber nun einiges über zwei fast vergessene Traditionen der Glasblaskunst und die bunten Dämpfe, die nahe des Nordpols von Trappist’s Merveille aufstiegen, wenn zwei der Monde im Sommer in Konjunktion traten.

Dass sie die Ionenschleuder in der Nähe des Sterns installiert hatten, brachte noch einen taktischen Vorteil: Vor dem Hintergrund dieses riesigen Leuchtkörpers waren selbst die grellen blauen Entladungen der Waffe nicht zu sehen. Für den ersten Test hatten die Leute von Trappist’s Merveille ein Muster mit einem winzigen Defekt entworfen, der das Projektil bereits nach einigen Kilometern zerfallen ließ, als hätte sich einer der Energieströme irgendwo im Nichts verhakt und das Ganze aufgeribbelt wie eine Garnrolle. Für den zweiten Test ließen sie es einen Halbkreis um den Stern fliegen, und für den dritten gleich eine Spirale, bei deren Lauf allen auf der Brücke die Nervosität anzusehen war, ob das Ding nicht einfach einen sauberen Kreis ziehen und von der anderen Seite direkt in die Waffe oder die Gandiva Zwei einschlagen würde. Die Leute von Trappist’s Merveille nickten zufrieden, als der glühende Lichtstreifen weit über ihnen vorbeizog und noch einige Kreise mehr machte, bevor er schließlich erlosch, erneut einem winzigen, programmierten Makel erlegen.

In seinen Runden um den Stern legte das Projektil Millionen von Kilometern zurück; bis zur Morgenröte würde es ein Vielfaches davon sein. Woraus es auch immer zusammengesetzt war, Lichtgeschwindigkeit konnte es nicht erreichen, und so würde es für die Strecke zu seinem Ziel einige Minuten benötigen. Bis jetzt hatten sie die Grundzüge eines Musters programmiert, das das Projektil von der Ionenschleuder in den Orbit Dunhuang Siebzehns leiten würde; bereits dieses Muster musste komplex genug sein, um bei der Länge der Strecke selbst noch die schwächsten Einwirkungen der anderen Himmelskörper auszugleichen. Yilmaz kam dies alles vor wie Glücksspiel, aber die Leute von Trappist’s Merveille saßen gutgelaunt über ihren Berechnungen, etwas groß geratene Menschen in perlmuttfarbenen Raumanzügen, durch die irgendwie andere Schwerkraft auf ihrem Planeten über die Generationen hinweg auch ein wenig anders gewachsen.

Aleph starrte über sie hinweg in die Ferne, als wäre da nicht einfach die Rückwand der Brücke. „Da“, sagte der künstliche Mensch und deutete nach oben. Yilmaz drehte sich um, doch auch wenn dort statt der Schiffbrücke wirklich der Himmel über Dunhuang Siebzehn gewesen wäre, konnte sie nichts weiter erkennen. „Die Morgenröte“, sagte Aleph.

„Können Sie uns die Koordinaten übermitteln“, sagte Yilmaz. Es war jetzt nicht wichtig, das alles zu verstehen.

Aleph schaute weiterhin in die Ferne, aber Yilmaz meinte, an den Instrumenten auf der Brücke wieder die feinen Tentakel aus Licht zu sehen, mit denen das Nodium noch vor einigen Tagen alles hier abgetastet hatte; aber sobald sie genauer hinschaute, war an den Instrumenten nichts, und dann verlor sie sich bereits wieder in der Illusion der Berglandschaft.

„Wir kriegen Daten herein“, sagte ein Techniker, der an den Kontrollen der Ionenschleuder saß. „Da sind sie.“

„Könnt ihr damit arbeiten?“, fragte Yilmaz. Es wäre unsinnig gewesen, die Koordinaten noch auf einer Sternenkarte anzuzeigen; dieser Angriff hatte nichts mit Taktieren in einem überschaubaren Raum zu tun, sondern nur mit Berechnungen. Interessant, dachte sie. Könnte so ein gesamter Krieg geführt werden? Hoffentlich nicht.

Der Techniker nickte. Es war auf der Brücke sehr still geworden, und die Leute von Trappist’s Merveille sammelten sich um die Kontrollen ihrer Waffe. „Wir sind soweit“, sagte der Techniker schließlich und runzelte die Stirn, als würde er es selbst nicht ganz glauben wollen.

Yilmaz sah zu Aleph hinauf, aber der künstliche Mensch schaute noch teilnahmslos zu den Leuten am Kontrollpult, oder vielleicht irgendwo in die ferne Landschaft Dunhuang Siebzehns hinaus. „Feuer frei“, sagte sie.

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Vielleicht gehe ich einfach schlafen, dachte Abelia. Sie hatte keine konkreten Zeiten, die sie auf der Brücke verbringen musste; niemand hatte sie je zu irgendwelchen Schichten eingeteilt, da auch niemand jemals festgelegt hatte, was ihre tatsächlichen Aufgaben hier sein sollten. Abelia war meistens da und konnte oft etwas beitragen, aber ihr letztes konkretes Projekt war die Einführung von Raumanzügen auf der Brücke und den anderen zentralen Stationen der Morgenröte gewesen. „Möchtest du dir jetzt noch eine neue Farbe für unser Schiff aussuchen“, hatte Basil Matei gesagt, nachdem sie den Abschlussbericht vorgelegt hatte, aber zum Glück hatte Abelia verstanden, dass das nur ein Witz gewesen war (oder nicht?). Die Besatzung des Planeten ging voran, auch wenn nicht alles so reibungslos verlief wie zu Anfang. Hier oben waren sie weiterhin mit den Reparaturen beschäftigt, aber langsam fragte sich Abelia, ob sie selbst unten nicht tatsächlich besser eingesetzt werden konnte. Ein paar Stunden Schlaf, dachte sie wieder. Auch Eran Debro hatte sich vor kurzem zurückgezogen, und Basil Matei starrte müßig in das Schrottfeld draußen, wo die Drohnen der Morgenröte nach Brauchbarem suchten.

„Energieentwicklung auf Siebzehn, Drei“, rief jemand auf der Brücke, als Abelia sich gerade in Richtung des Ausgangs abgestoßen hatte. „Quelle unbekannt.“

„Triebwerke starten“, sagte Matei. „Ausweichmanöver, runter zum Planeten. Schilde hoch.“

Abelia klappte den Helm ihres Raumanzugs vor und hörte zufrieden um sich herum das leise Zischen, mit dem sich die Visiere der übrigen Crew schlossen.

Hinter den Fenstern kippte das Schrottfeld zur Seite, als die Morgenröte dem Planeten entgegensank. Dann war da wieder ein Licht; nicht wie die Explosion des Schlachtschiffs und auch nicht wie die Wellen der Pulswaffe. Abelia hielt es zuerst für eine Störung der Projektionssysteme auf der Brücke, ein Bündel aus blauen Linien, wie das Hologramm eines komplexen, aber bedeutungslosen Ornaments. Es war allerdings kein Hologramm und nicht auf der Brücke, und in wenigen Sekunden wieder verschwunden.

„Kein direkter Treffer“, hörte sie jemanden über Funk in ihrem Helm.

Irgendetwas stimmt nicht, dachte Abelia, doch dann glühten draußen an der linken Flanke des Schiffs die Schildgeneratoren auf, bevor ihre Spulen zu Wolken aus Silikat zerbarsten.

Vor den Fenstern schien eine ganze Seite des Schiffs dunkel geworden zu sein. „Schilde Backbord ausgefallen“, sagte jemand anderes. „Waffensysteme Backbord ausgefallen. Sensoren … wir haben 23 Prozent Ausfall.“

Das kann nicht sein, dachte Abelia, während die glitzernden Reste der Spulen gegen die Scheiben prasselten. Haben sie den Puls kopieren können?

„Verteidigungssysteme Backbord isoliert“, sagte eine weitere Stimme. „Brücke ist vom Netz.“ Plötzlich verspürte Abelia in ihrem Helm eine leichte Klaustrophobie, als wäre alles in den wenigen Raum vor ihrem Visier geschrumpft.

„Gut“, hörte sie jetzt Matei sagen, und eine Weile verharrten sie alle stumm vor ihren Stationen, während die Morgenröte weiter in einen tieferen Orbit sank. Vor der Pulswaffe gab es keinen Schutz, aber sie hatten die unterschiedlichen Systeme der Morgenröte so umgebaut, dass sie sich im Notfall isolieren ließen: So blieb zumindest die kleine Chance, dass sich der Puls nicht durch die gesamte Elektronik fraß, falls beim Abfeuern dieser Waffe etwas falsch laufen sollte. Das ist aber nicht der Puls, dachte Abelia, das ist irgendetwas anderes. Hoffentlich nichts Gefährlicheres.

„Keine Schäden an der Brücke“, sagte schließlich jemand. „Zentrale Steuerung voll funktionsfähig. Gehe zu nächsten Tests über.“

„Ja“, sagte Matei, „aber wo kam das her?“

„Geschätzte Route … könnte vom Stern kommen. Keine ausreichenden Daten.“

„Wir müssen auf die andere Seite des Planeten“, sagte Matei.

Wir verstecken uns, dachte Abelia, fand es aber gerade keine falsche Reaktion.

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„Ach ja“, sagte Appiah, als Park die Aufnahmen nochmals abgespielte. Sie hatten den fransigen blauen Streifen auf der Aufzeichnung der Teleskopkamera zuerst als Bildstörung abgetan, ein dubioses Artefakt, als hätte jemand mit einem groben digitalen Werkzeug quer über das All gepinselt, aber die Morgenröte schien unmittelbar darauf reagiert zu haben. Appiah war nicht auf Trappist’s Merveille gezogen, um unter Leuten zu sein, doch mit der Zeit hatte er genug gesehen und gehört, um eine ungefähre Vorstellung von den Verteidigungsanlagen dieses Planeten zu haben. Die Menschen dort erzählten freilich nicht, wie ihre Waffe funktionierte, aber sie sorgten auch dafür, dass niemand vergaß, wozu sie in der Lage war; so weit, dass Appiah mittlerweile eine unendliche Langeweile überkam, sobald seine Bekannten auf dem Planeten wieder nebenbei etwas zu der wundersamen Ionenschleuder fallen ließen. „Falls ich mich nicht täusche“, sagte er, „ist das die mächtigste Langstreckenwaffe dieser Galaxis. Das habe ich mir zumindest oft sagen lassen.“

„Die Ionenschleuder“, sagte Yato. „Sie müssen sie am Stern installiert haben, bei dem Schiff der Galaktischen Patrouille.“

„Der Kurs könnte stimmen“, sagte Park, während der Computer vor ihnen irgendwelche Simulationen visualisierte.

„Wie kann man aus der Entfernung überhaupt zielen?“, fragte Yato.

„Wenn wir wüssten, wie die Patrouille macht, was sie macht, gäbe es die Patrouille nicht“, sagte Park etwas säuerlich.

„Sie sind hier“, sagte Yato ein wenig zu laut. „Die Patrouille. Auf dem Planeten.“

„Ja“, sagte Park. „Aber was bedeutet das jetzt für uns?“

„Was kann es für uns bedeuten?“, fragte Appiah.

„Dass wir uns unsere Stadt zurückholen“, sagte Park.

Als alles in der Bergfestung in Aufruhr geriet, machte sich Elvis instinktiv auf den Weg in die Kantine.

„Ziehen Sie ihre Uniform an, Soldat“, sagte jemand im Vorbeilaufen, „Worauf warten sie?“

„Ich bin hier nur zu Besuch“, sagte Elvis, aber da war der Soldat längst zwischen den vielen anderen verschwunden, die gerade in ihren Kampfanzügen und schweren Stiefeln durch die Gänge trampelten.

In der Kantine war nur Appiah, der sich gerade einen Tee machte.

„Opa“, sagte Elvis, „was passiert gerade?“

„Es scheint“, sagte Appiah, „dass unsere Garde hier jetzt endlich etwas gefunden hat, um in Aktion zu treten.“ Er machte die Teedose zu und stellte sie wieder ins Regal. „Gut für sie“, sagte er dann.

Elvis setzte sich an den nächsten Tisch.

„Und du?“, fragte Appiah, „möchtest du etwas machen?“

„Ich möchte ungern etwas machen“, sagte Elvis, „aber ich glaube, ich sollte dabei sein, verstehst du?“

„Du möchtest einen Tee“, sagte Appiah.

„Ja“, sagte Elvis. „natürlich.“

Appiah wartete, bis das Wasser aufkochte und wieder etwas abkühlte.

„Es ist wie ein Fluch“, sagte Elvis in die Kantine hinein. „Ich muss irgendwann etwas Falsches gesagt haben.“

Appiah brachte den Tee, und sie tranken schweigend ein paar Tassen. Irgendwann stand ein junger Soldat in der Tür.

„Elvis Eric Late?“, fragte er. „Sie habe ich gesucht. Das Kommando möchte Sie etwas fragen.“

Vorschau: Ich lebe jetzt in der Stadt, denkt die Soldatin, bevor sie mit ihrem Notizbuch auf ein Dach klettert: Die Garde beginnt schließlich ihren Gegenangriff, um in einer für alle undurchsichtigen Situation zumindest eine der Städte Dunhuang Siebzehns zu befreien. Elvis öffnet die Augen und schaut zu einer Maske hinauf.

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Jacob Birken
Jacob Birken

Written by Jacob Birken

Writer, researcher. Interested in ideas about history & historicity, and their mediation in arts & pop culture.

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